Berechnung von porösen Absorbern...

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Holger
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Berechnung von porösen Absorbern...

Beitrag von Holger » Sonntag 5. April 2015, 14:45

Servus zusammen,

anbei habe ich mal für eine Raumakustikgruppe bei Facebook ein "How-To" geschrieben gehabt, wie man poröse Absorber berechnen kann und wie man das entsprechende Material, die Materialdicke und einen möglichen Wandabstand auswählen kann.

Damit kann jeder von euch selber die Funktionsweise eines möglichen Absorbers berechnen und mit wenigen Eingaben erkennen ob ein anderes Material nicht vielleicht besser wäre als ein anderes oder ob es nicht besser wäre einen dünneren Absorber mit Wandabstand zu bauen anstatt eines dickeren Absorbers ohne Wandabstand.

Da ich natürlich auch nicht fehlerfrei bin freue ich mich über Korrekturen, Verbesserungsvorschläge, sachliche Kritik und/oder Hinweise auf fachliche Fehler. :beer2:

Viel Spaß beim lesen...

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Um im Vorfeld die Funktionsweise und Absorption eines selbst gebauten porösen Absorbers zu überprüfen, gibt es im Internet eine vorgefertigte Excel-Tabelle. Mit Hilfe dieser Tabelle ist es möglich, verschiedene Materialien, Wandabstände, Absorberdicken und Eintrittswinkel des Schallereignisses zu simulieren und so die mögliche Absorption bei bestimmten Frequenzen zu berechnen.

Im folgenden, sehr vereinfacht dargestellten „How-To“ möchte ich euch näher bringen, wie man diese Tabelle benutzt und wie man die Ergebnisse deuten und für sein Heimkino/Hifi-Wohnzimmer umsetzen kann.

Zu allererst müsst ihr euch unter dem link http://www.whealy.com/acoustics/Porous.html die schon fertig erstellte Excel-Tabelle herunterladen (durch Links-Click auf „Office 2007“ oder „Office 2003/97“ im ersten Textabschnitt).

Öffnet ihr die Tabelle, dann erhaltet ihr die folgende Arbeitsmappe:
Excel-Tabelle.jpg
Oben unter den Menu-Punkten steht eine Sicherheitswarnung. Mit einem Click auf „Optionen“ kann man den Inhalt aktivieren, was für einige Rechenschritte oder Bedienelemente wichtig ist. Ist das geschehen, dann könnt ihr mit der Tabelle wie folgt arbeiten (veränderbar sind jeweils die gelb markierten Zellen):
• Im Feld „C4“ (Absorber thickness (ta)) trägt man die die Dicke des geplanten Absorbers in Millimetern ein
• Im Feld „C5“ (Absorber flow resisitivity) trägt man den längsbezogenen Strömungswiderstand des verwendeten Dämmmaterials ein (Einheit rayls/m) – Erklärung und Werte folgen weiter unten
• Im Feld „C7“ (Air gap (d)) könnt ihr den Wandabstand des Absorbers in Millimetern eintragen.
• Im Feld „C9“ (Angle of incidence) könnt ihr den Einfallswinkel des Schalls eintragen
• Im Feld „H4“ (Start graph at) könnt ihr eintragen, ab welcher Frequenz der Absorber berechnet warden soll

Das sind alle Werte, die man eintragen kann. Im darunter aufgezeigtem Diagramm kann man dann ablesen, wie hoch der Grad der Absorption bei welcher Frequenz ist. Man kann also erkennen, in wie weit der eintreffende Schall absorbiert wird und somit nicht mehr, bzw. deutlich reduziert über die dahinter liegende Wand in den Raum zurückreflektiert wird.

Um euch mit den ganzen Werten zu helfen haben meine Jungs vom HK-Stammtisch eine Liste mit allen möglichen Materialien zusammengefasst – so kann jeder für seine Anforderungen und seinen Platz das beste Material heraussuchen:


Rockwool (Hersteller)
Steinwolle:
Sonorock: ≥ 6 kPa*s/m²
Sonorock Akustik: ≥ 6 kPa*s/m²
Sonorock Plus: ≥ 6 kPa*s/m²
Termarock 30: > 7 kPa*s/m²
Termarock 40: > 10 kPa*s/m²
Termarock 50: > 16 kPa*s/m²
Termarock 100: > 43 kPa*s/m²

Heraklith Heralan
Steinwolle:
DP-3: > 5 kPa*s/m²
DP-4: ≥ 7 kPa*s/m²
DP-5: > 7 kPa*s/m²
DP-7: > 7 kPa*s/m²
Dp-10: ≥ 20 kPa*s/m²
DP-12: ≥ 25 kPa*s/m²
DP-15: ≥ 25 kPa*s/m²

ISOVER
Glaswolle:
Akustik TP1: ≥ 5 kPa*s/m²
Integra ZKF 1-032: ≥ 5 kPa*s/m²
Integra ZKF 1-035: ≥ 5 kPa*s/m²
Integra ZKF 1-040: ≥ 5 kPa*s/m²
SSP 1/SSP 2: ≥ 11 kPa*s/m²
ULTIMATE U TPV 34: ≥ 22 kPa*s/m² (einseitig mit schwarzem Vlies kaschiert)

BASF
Basotect: 8-20 kPa*s/m²
Basotec schwankt leider sehr in der Produktion, daher rechnen wir mit einem Mittelwert von 14 kPa*s/m²)

Thermohanf
Thermo-Hanf PLUS: 3 kPa*s/m²
Thermo-Hanf PREMIUM: 3 kPa*s/m²

ISOVER
Steinwolle:
SP 120: ≥ 40 kPa*s/m²
SP 150: ≥ 50 kPa*s/m²
SP 180: ≥ 70 kPa*s/m²
Akustic VP: ≥ 25 kPa*s/m²

Und hier eine Erklärung, wie man die Winkel einzutragen hat. Tritt der Schall in einem 90°-Winkel (schwarze Zahl im Bild) auf den Absorber auf, dann ist in der Tabelle der rote Wert = 0° einzutragen usw.

Das ganze ist insofern interessant, da sich je nach Position des Absorbers zu den Lautsprechern und zum Hörplatz die Funktionsweisen von Absorbern deutlich unterscheiden – und es je nach Winkel auch dazu kommen kann dass auf einmal ein Absorber ohne Wandabstand besser funktioniert als ein Absorber mit Wandabstand.
Einfallswinkel.jpg
Wollt ihr nun also einen dünnen Absorber für die Erstreflektionspunkte der Fronts an den Seitenwänden berechnen, dann tragt ihr beispielsweise einfach folgendes in die Tabelle ein:
„C4“ => die Dicke des Absorbers – beispielsweise 100mm
„C5“ => den Strömungswiderstand des Dämmmaterials (bei dünnen Absorbern bietet sich Dämmmaterial mit möglichst hohem Strömungswiderstand an, z.B. Thermarock 50 ≥ 16 kPa*s/m² = 16.000 rayls/m)
„C7“ => der gewünschte Wandabstand, beispielsweise 0mm bei direkter Wandmontage des Absorbers
„C9“ => der ungefähre Einfallswinkel des Schalls, nehmen wir für die Erstreflektionspunkte mal einen Wert von 20 Grad an.
In der Grafik seht ihr dann wie gut der Absorber bei welcher Frequenz arbeitet – einmal mit (rosa Linie) und einmal ohne (blaue Linie) Wandabstand.
So könnt ihr nun herumspielen und euch Absorber für die Wände, die Erstreflektionspunkte, die Decke, den Bereich hinter der Front (hinter der Leinwand), Superchunks in den Raumecken oder auch im rückwärtigen Bereich des Raums berechnen.

Wichtig ist, dass die linke Maßeinheit der Grafik in Prozent angegeben ist. Das ist sehr missdeutlich zu verstehen, daher folgt auf der nächsten Seite noch eine Übersicht, was das im einzelnen zu bedeuten hat.

Nehmen wir uns nun ein echtes Beispiel vor, damit die Funktionsweise der Tabelle klar wird: meine kompletten Seitenwände in meinem Kino bestehen aus raumhohen Absorbern. Als Material habe ich Isover Akustik TP1 Dämmmaterial mit einem längsbezogenen Strömungswiderstand ≥ 5 kPa*s/m² (sprich 5.000 ralys/m) verwendet. Der Absorber ist 20cm dick und zwischen dem Absorber und der Wand habe ich 10cm Luft zur Luftzirkulation gelassen.

Das ganze sah in der noch nicht verkleideten Bauphase dann so aus wie im Bild unten (das gelbe ist das Dämmmaterial, rechts davon ist der Abstand zur Seitenwand zu sehen)
Kino (177).JPG
In die Tabelle trage ich dann für exakt diesen Aufbau die folgende Werte ein:
„C4“ die Dicke des Absorbers 200mm
„C5“ den Strömungswiderstand des Dämmmaterials (siehe Liste) 5000 rayls/m (5 kPa*s/m²)
„C7“ der gewünschte Wandabstand 100mm
„C9“ der ungefähre Einfallswinkel des Schalls 45°

Dabei kommt dann der folgende Graph heraus:
Tabelle.jpg
In der Grafik sieht man nun 2 Kurven. Dies Kurven stellen den Absorptionsgrad dar, die blaue Kurve ohne den eingetragenen Wandabstand (siehe Legende „no air gap“) und die rosa Kurve mit Wandabstand („air gap“).
Um die linke Maßeinheit in dB umzurechnen, könnt ihr einfach die folgende Tabelle verwenden:
Absorption-in-Dezibel.jpg
In meinem konkreten Beispiel bedeutet das also folgendes:

- bei 50hz absorbiert mein Wandabsorber 0,37 = ca. -4dB (rosa Kurve)
- ohne Wandabstand absorbiert er bei 50hz nur 0,20 = ca. -2dB (blaue Kurve)
- bei 100hz absorbiert mein Absorber mit Wandabstand ca. 0,8 = -17dB
- ab 200hz absorbiert mein Absorber mit Wandabstand ca. 0,99 = -40dB

Man sieht deutlich dass der Absorber dank des Wandabstandes (rosa Kurve) schon viel früher gut zu wirken beginnt als wenn der gleiche Absorber ohne Wandabstand (blaue Kurve) direkt auf die Wand montiert wäre.

Beachtet bitte auch, dass der Unterschied von 0,9 zu 0,99 in der Grafik ca. 20dB ausmachen, sprich zwischen 300 und 800hz funktioniert mein Absorber MIT Wandabstand nicht so gut wie der gleiche Absorber ohne Wandabstand!
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Zuletzt geändert von Holger am Sonntag 5. April 2015, 17:28, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
Holger

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wolfmunich
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Re: Berechnung von porösen Absorbern...

Beitrag von wolfmunich » Sonntag 5. April 2015, 15:12

Servus Holger,

super Anleitung. Danke für deine Mühe.
Gruß

Wolfgang

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